Londoner Bischöfin Sarah Mullally zu Besuch in Spandau

Londoner Bischöfin Sarah Mullally zu Besuch in Spandau

Londoner Bischöfin Sarah Mullally zu Besuch in Spandau

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Londoner Bischöfin Sarah Mullally zu Besuch in Spandau

Am Reformationstag 2025 wurde in der St.Nikolai-Kirche Spandau ein wirklich besonderer Gottesdienst gefeiert. Superintendent Florian Kunz lud ein: Bischöfin Sarah Mullally, Bischof Christian Stäblein und Generalsuperintendentin Julia Helmke.

In ihrer Predigt erinnerte Bischöfin Mullally daran (in voller Länge im Anschluss): Es ist nicht unsere Leistung, die uns Gott näherbringt, sondern das Vertrauen in seine Liebe und Vergebung.

Nach dem Gottesdienst gab Generalsuperintendentin Julia Helmke einen inspirierenden Impuls über die Reformation heute. Im anschließenden Gespräch mit ihr und Bischöfin Sarah Mullally, moderiert von Superintendent Florian Kunz, ging es um Kirche und Glauben im Wandel, um Glauben in Bewegung – und natürlich um die Frage, was Reformation heute für uns bedeutet.

Ein Abend voller Austausch, Impulse und Gemeinschaft – kraftvoll, lebendig, bestärkend. So fühlt sich Reformation an.

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Predigttext in deutscher Übersetzung

Anfang Dezember werde ich in St. Bartholomew the Great am Rande der City of London wieder einmal einen Konfirmationsgottesdienst feiern. Menschen werden dann die Versprechen, die bei ihrer Taufe für sie gegeben wurden, selbst bekräftigen, und wir werden für sie um die Gabe des Heiligen Geistes bitten. St. Bartholomew the Great hat – wie viele andere Kirchen in London – erlebt, was die Bible Society zu Beginn dieses Jahres als eine „stille Erweckung“ (Quiet Revival) bezeichnet hat.

Hoffnung entdecken

Die Bible Society berichtete, dass sie eine Zunahme junger Erwachsener – Männer wie Frauen – beobachtet hat, die begonnen haben, regelmäßig in die Kirche zu gehen, die Bibel zu lesen, zu beten und Jesus Christus als Gott zu verehren. Aus ganz unterschiedlichen Communitys kommend, entdeckt eine neue Generation Hoffnung – sowohl in der christlichen Botschaft als auch in bestehenden christlichen Gemeinden. 

Diese Hoffnung ist zugleich eine persönliche wie soziale. Sie scheint einem tiefen Bedürfnis nach Verbindung, Zugehörigkeit und Sinn zu begegnen und zugleich sinnvolles Engagement für die Welt zu ermöglichen, um einige der scheinbar unlösbaren Probleme unserer Zeit anzugehen – Ungerechtigkeit, Ungleichheit, Klimawandel – und eine Alternative zu dem individualistischen, wettbewerbsorientierten und materialistischen Weltbild zu bieten, das westliche Gesellschaften in den letzten Jahrzehnten zunehmend geprägt hat.

Generationenübergreifende Gespräche

Der Bericht hebt die Bedeutung und Wirkung authentischer persönlicher Beziehungen hervor und ermutigt die Kirche, Nachfolge als Auseinandersetzung mit der Bibel zu profilieren, um einen selbstverständlichen Umgang mit der Bibel zu fördern – und dadurch die wachsende Offenheit und kulturelle Gelegenheit unserer Zeit zu nutzen. Er ermutigt die Kirche zudem, generationenübergreifende Gespräche innerhalb der Gemeinden und darüber hinaus zu führen, damit Gemeindemitglieder voneinander lernen und an der Weisheit der anderen teilhaben können.

Dies kann man als Vermächtnis der Reformation sehen. Die Reformation brachte ein Maß an biblischer Bildung hervor, wie es seit neutestamentlicher Zeit nicht mehr existiert hatte. Sie förderte die Entwicklung der Literatur in den verschiedenen Landessprachen Europas. Und zum ersten Mal konnten ganz normale Menschen das Wort Gottes lesen und zu Gott in ihrer eigenen Sprache beten.

Einladung an alle

Die Reformation war der Versuch, die Bibel wieder zum Herzstück des kirchlichen Lebens zu machen – nicht sie als Privatbesitz einzelner Leser zu verstehen. Die Bibel sollte als öffentliches Dokument verstanden werden, als die „Charta“ des Lebens der Kirche; alle Gläubigen sollten Zugang dazu haben, weil sie die gemeinsame Sprache und die Maßstäbe kennen mussten, anhand derer die Kirche über Theologie und ethisches Verhalten sprach.

Die Geschichte dieser Kirche, St. Nikolai, zeigt die Wirkmächtigkeit dieses Zugangs. Kurfürst Joachim II. folgte Christi Gebot in der Schrift, sowohl Christi Leib zu essen als auch sein Blut zu trinken. Als er 1539 als Laie die heilige Kommunion unter beiderlei Gestalt empfing, markierte dies einen klaren Wandel im Verständnis der Tradition und bekräftigte die Einladung des Evangeliums, dass alle Gläubigen einen Platz am Tisch des Herrn haben. Ein entscheidender Moment in der Geschichte der Reformation.

Über 500 Jahre später erleben wir, dass Kirchen wie St. Bartholomew the Great die Notwendigkeit solider biblischer Lehre wieder ernst nehmen. Sie haben die „Great Disputation“ wiederbelebt – eine öffentliche theologische Debatte, die für alle zugänglich ist.

Mit der raschen Entwicklung des preiswerten Buchdrucks wurde es möglich, dass die Bibel für jeden erschwinglich wurde – etwas, das man besitzen und im Privaten studieren konnte. Doch, wie der frühere Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, bemerkte, wären die Reformatoren wohl überrascht gewesen, mit einer Bewegung in Verbindung gebracht zu werden, die jeden dazu ermutigt, seine eigenen Schlussfolgerungen über die Bibel zu ziehen. Für sie war die Bibel ein Text, mit dem man im Gebet und im gemeinsamen Nachdenken ringen sollte – als gemeinschaftliche Aufgabe.

Vertrauen stärken

In unserer heutigen Welt müssen wir als Christen unser Vertrauen in das Evangelium stärken – nicht auf der Grundlage von Emotionen oder Gefühlen, sondern auf dem Wort Gottes. Dr. Graham Tomlin schrieb im vergangenen Jahr, dass Luther seinen Frieden des Gewissens nicht in einer mystischen Erfahrung der Liebe Gottes fand, sondern darin, immer wieder das Wort zu hören, das Gott in Jesus Christus an die Menschheit gesprochen hat. Allen Widrigkeiten zum Trotz und auch angesichts seiner häufigen Erfahrung von Gottes Abwesenheit statt seiner Nähe hat sich Luther daran erinnert, dass Gott seinen Sohn gesandt hat – als endgültiges Pfand dafür, dass Gottes Herz voller Liebe und Güte ist. Indem er Christus sandte, hat Gott sich uns selbst gegeben – oder theologisch ausgedrückt – uns in Christus seine „Gerechtigkeit“ geschenkt. 

Und die einzig angemessene Antwort darauf ist, schlicht zu glauben und zu vertrauen, dass dies wahr ist. So wird diese „Gerechtigkeit“ unsere eigene, und wir sind, wie Luther sagt, „gerechtfertigt“. Das war eine für Luther zutiefst emotionale Entdeckung. Eine Welle der Freude und Erleichterung. Doch diese Freude war das Ergebnis des Glaubens, des Glaubens an das Wort – nicht umgekehrt. Die Emotionen folgten dem Glauben, nicht der Glaube den Emotionen. (Graham Tomlin, Seen and Unseen, 15. April 2024)

Geschenkte Vergebung

In der Konfirmationsliturgie, die ich in St. Bartholomew the Great verwenden werde, habe ich Worte aus Jesaja 43 ausgewählt: „Gott hat dich bei deinem Namen gerufen, du bist sein.“ Diese Worte erinnern die Konfirmanden und die Gemeinde daran, dass wir in Beziehung zu Gott stehen – nicht aufgrund dessen, was wir getan haben, sondern aufgrund dessen, was Gott in Jesus Christus getan hat. Luther selbst sagte:

„Sünder werden nicht geliebt, weil sie liebenswert sind; sie sind liebenswert, weil sie geliebt werden.“

Wir werden in eine rechte Beziehung zu Gott gebracht – nicht dadurch, dass wir uns bemühen, besonders religiös oder fromm zu sein, oder indem wir gute Werke und Taten vollbringen. Vielmehr geschieht es, wenn wir einfach darauf vertrauen, dass Gott gütig ist – und dass die zur Erlösung notwendige Gerechtigkeit nicht durch spirituelle Anstrengung erkämpft, sondern uns in Christus geschenkt wird. (Graham Tomlin, Church Times, 30. Juni 2017, Man behind the Movement)

Vielleicht ist die wichtigste Erkenntnis Luthers für jene, die Teil der „stillen Erweckung“ sind, diese: Wir können niemals Frieden, Sicherheit oder Selbstwert durch unsere eigenen Leistungen finden – ganz gleich, wie groß oder klein sie sind. Stattdessen wachsen diese Dinge – Frieden, Sicherheit, Selbstwert – in uns, wenn wir innehalten und zuhören: wenn wir Gottes Wort hören, das uns sagt, dass wir geschaffen und geliebt sind und uns in Christus vergeben ist – ganz unabhängig von unseren eigenen Errungenschaften. Es wird uns in Christus geschenkt und durch den Glauben einfach empfangen – indem wir glauben, dass es wahr sei. Hier beginnt wirkliche Verwandlung.

Amen.

The Rt Revd and Rt Hon Sarah Mullally, Bischöfin von London

Predigt über Römer 3:21-28, gehalten am Reformationstag 2025 in St. Nikolai Spandau

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